Der Markt für glutenfreie Lebensmittel wächst. Inzwischen müssen Menschen mit Zöliakie auch auf bestimmte Genussmittel nicht länger verzichten.
Während der Pro-Kopf-Alkoholkonsum in der Schweiz seit Jahren rückläufig ist, bleibt er bei Bier mit etwa 51 Litern. stabil. Damit ist es das meistgetrunkene alkoholische Getränk in der Schweiz. Auf die klassische Biererfrischung verzichten müssen allerdings die Menschen, die an einer Glutenunverträglichkeit leiden. Schliesslich enthalten Biergetreidesorten wie Gerste oder Weizen Gluten. Die Alternative für Allergiker: glutenfreies Bier. Neben Brot, Pizza oder Kuchen ohne Gluten findet sich das Genussmittel als Nischenprodukt inzwischen in immer mehr Supermarktregalen.
Gluten – das häufig vorkommende Klebeeiweiss
Gluten ist ein Protein, dass in vielen Getreidesorten wie Weizen, Roggen oder Gerste vorkommt. Es wird aufgrund seiner formgebenden Eigenschaft auch als Klebstoff oder Klebeeiweiss bezeichnet. Wird Getreidemehl beispielsweise mit Wasser oder einer anderen Flüssigkeit vermengt, bildet das Gluten aus dem Mehl eine elastische Masse – den Teig. In der Schweiz leiden rund 80 000 Menschen an einer Glutenunverträglichkeit, der so genannten Zöliakie. Bei ihnen schädigt das Gluten die Schleimhaut des Dünndarms. Typische Beschwerden sind Durchfall, Übelkeit, Bauchschmerzen und ein insgesamt schlechtes Allgemeinbefinden. Weil sich bei einer Zöliakie der Dünndarm dauerhaft entzündet, werden die Nährstoffe nicht mehr im normalen Mass vom Körper aufgenommen – es kommt zu Mangelerscheinungen. Während Menschen mit einer Laktoseintoleranz vor dem Verzehr von laktosehaltigen Lebensmitteln Laktase-Tabletten einnehmen können, um Beschwerden zu vermeiden, gibt es für Zöliakie-Betroffene nur eine effektive Behandlung: eine glutenfreie Ernährung. Werden konsequent alle Lebensmittel vermieden, die Gluten enthalten, können die Betroffenen in der Regel beschwerdefrei und gesund leben.
Glutenfreies Bier: So wird es gebraut
Um als glutenfrei deklariert zu werden, muss ein Bier laut EU-Richtlinie weniger als 20 Milligramm pro Kilogramm (0.002%) Gluten aufweisen. Da klassische Biere aus Gerste oder Weizen hergestellt werden, enthalten sie in der Regel Gluten – je nach Biersorte und Getreideart etwa 10 bis 20 mg pro Kilogramm. Besonders viel Gluten enthält normales Weizenbier. Mit gut 250 Milligramm pro Liter muss sein Verzehr von Allergikern in jedem Fall vermieden werden.
Bier aus Mais, Hirse und Co. brauen
Es gibt mehrere Möglichkeiten, um glutenfreies Bier herzustellen. So werden zum Beispiel Getreidesorten wie Reis, Hirse, Mais oder Soja eingesetzt. Der Vorteil: Das spätere Bier ist vollständig glutenfrei. Geschmacklich allerdings ist es mit traditionellem Bier nicht zu vergleichen. – Zumindest, wenn vom europäischen Standardgeschmack ausgegangen wird. Als Newcomer sind Mais- und Hirsebiere in Europa erst seit einigen Jahren auf dem Markt erhältlich. In anderen Teilen der Erde gibt es sie dagegen schon lange. So ist Maisbier beispielsweise bei einigen Völkern Südafrikas ein beliebtes Traditionsgetränk.
Traditionell brauen und Gluten entziehen
Vor allem die westlichen Brauereien möchten mit dem glutenfreien Bier – ähnlich wie mit den alkoholfreien Varianten – geschmacklich möglichst nah an das Original rankommen. Daher wird das Bier zunächst traditionell gebraut. Durch die Beigabe von Enzymen wird das Gluten im Herstellungsprozess entzogen, der typische Biergeschmack bleibt erhalten. Die Enzyme spalten das Gluten in kleine Peptide, die für Menschen mit Zöliakie verträglich sind. Wichtig zu wissen: Auch nach dem enzymatischen Abbau enthalten diese Biere noch geringe Spuren von Gluten. Menschen mit einer ausgeprägten Glutenunverträglichkeit sollten daher zu den Getreidealternativen greifen.
Innovative Verfahren und neue Züchtungen
Waren es anfangs kleine Brauereien, die glutenfreies Bier als Nischenprodukt auf den Markt gebracht haben, gibt es heutzutage auch Angebote von grossen Brauereien. Denn: Der Markt für glutenfreie Lebens- und Genussmittel wird immer beliebter. Daher wird im Herstellungsprozess weiter an Innovationen geforscht. So verwenden einige Brauereien speziell gezüchtete glutenfreie Gerste als Rohstoff, um das beliebte Standardbier ohne Gluten produzieren zu können. Andere setzen auf traditionelle Rohstoffe, verändern aber den Brauprozess. Statt mit Enzymen zu arbeiten, wird das Bier intensiver und länger gekocht sowie kälter gelagert. Abschliessend wird es filtriert, um die EU-Richtlinien einzuhalten.
Was viele nicht wissen: Es gibt auch traditionell gebraute Biere mit wenig Gluten. So enthält ein Bier der Sorte Pilsner Lagerbier lediglich 1.2 Milligramm Gluten pro 100 Gramm – und darf somit gemäss EU-Richtlinie als glutenfrei gekennzeichnet werden.
Produktion von glutenfreiem Bier – was Hersteller beachten müssen
Häufig werden in einem Betrieb sowohl konventionelle als auch glutenfreie Produkte hergestellt. Die Hersteller müssen strenge Kontrollen sowie absolute Hygiene gewährleisten. So müssen sämtliche Produktionsmittel regelmässig – auch an unzugänglichen Stellen – gereinigt werden. In der gesamten Lieferkette sowie im Brauprozess müssen alle Zutaten strikt von den glutenhaltigen Rohstoffen getrennt sein. Grundsätzlich sollte glutenfreies Bier in einer Anlage gebraut werden, die ausschliesslich dafür verwendet wird. Nur so lassen sich Kontaminationen vermeiden.
Wichtig für den Export: In unterschiedlichen Ländern gelten unterschiedliche Vorgaben für glutenfreie Nahrungsmittel. Soll ein Bier innerhalb der EU vertrieben werden, darf der Grenzwert von 20 mg/kg nicht überschritten werden. In den USA dagegen gilt zwar der gleiche Grenzwert wie in der EU, aber: Wurde das Gluten während des Herstellungsprozesses entfernt, darf ein Bier dort nicht als glutenfrei deklariert werden. – Auch, wenn es weniger als 20 mg Gluten enthält.
Neben der strikt getrennten Produktion und hohen Hygienestandards müssen Hersteller durch spezialisierte Stichprobentests gewährleisten, dass ihre Produkte glutenfrei sind. Speziallabore wie Biolytix bieten für verschiedene Lebensmittel zuverlässige Nachweise an. Mit erprobten Verfahren wie dem ELISA-TEST wird der Glutengehalt im Bier ermittelt beziehungsweise gewährleistet, dass das Endprodukt frei vom Klebeprotein ist und das Siegel mit der durchgestrichenen Ähre tragen darf.